Frau M. ist in einer kleinen, typisch niederösterreichischen Gemeinde im Weinviertel geboren und aufgewachsen. Jede*r kannte hier jede*n. Doch dass sie und insbesondere ihre Mutter in dieser beschaulichen Film- und Serienkulisse unbeschreibbares Leid erfahren mussten, das will niemand mitbekommen haben. «Der Erzeuger», wie Frau M. ihren Vater nennt, hat mit einer selbstverständlichen Brutalität seine Familie beherrscht. Schläge, Drohungen, Misshandlungen, Demütigungen und Einschüchterungen waren Alltag und allgegenwärtig. Jahrelang. Jahrzehntelang.
Als die Situation im Jahr 2020 wieder einmal lebensbedrohlich eskalierte, schaffte die Mutter es, sich in Sicherheit zu bringen, um daraufhin woanders sicher und menschenwürdig leben zu können. Frau M. selbst hatte bereits vor vielen Jahren dem Schreckensort ihrer Kindheit den Rücken gekehrt und lebt weit entfernt. Der erlebten Gewalt und den Gedanken an die Mutter, die um so vieles länger gelitten hat, kann sie jedoch nicht den Rücken kehren. Vieles hat sie inzwischen neu einordnen können und es ist ihr wichtig, dass Menschen folgendes wissen:
- Partnergewalt ist kein harmloser Familienstreit.
- Partnergewalt als Reaktion auf vermeintlich unangemessenes Verhalten ist falsch.
- Partnergewalt ist keine Privatsache.
- Partnergewalt darf kein Tabu sein.
- Partnergewalt ist eine Straftat. Ein Gewalttäter ist ein Straftäter – es gibt keine Entschuldigung.
- Partnergewalt betrifft alle(s): Nachbarn, Gemeindeverantwortliche, Behörden, Gesundheitssysteme, Bildungssysteme und vieles mehr.
- Jeder Gewalttäter ist für sein Handeln verantwortlich.
Eine Parkbank mit einer gut sichtbaren Botschaft steht seit dem 27.01.2025 an ihrem neuen Bestimmungsort – einem kleinen Ort im niederösterreichischen Weinviertel. Die Botschaft lautet:
«Hier ist kein Platz für Gewalt an Mädchen und Frauen».








Die Frauenorganisation FRAUEN für FRAUEN engagiert sich aktiv gegen jegliche Gewalt an Frauen und Mädchen in Niederösterreich. Als Umsetzungspartnerin des Projekts StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt in Stockerau und ab März 2025 auch in Mistelbach will FRAUEN für FRAUEN gemeinsam mit Verein StoP dem Wunsch einer Exil-Niederösterreicherin Rechnung tragen:
«Was Frau M. besonders wichtig ist, ist ein Verständnis über die Grundlagen und Wechselwirkungen von Gewalt zu unterstützen.», so Mona Naderer – Mitarbeiterin bei FRAUEN für FRAUEN und StoP-Projektkoordinatorin in Stockerau. Sie hat sich mit Frau M. zu einem Gespräch getroffen. «Gewalttaten können sich in jeder Gemeinde ereignen. Wichtig ist, dass die in einer Gemeinde politisch Verantwortlichen zur Kenntnis nehmen, dass es in ihrer Gemeinde einen Handlungsbedarf gibt. Nur so kann die Gemeinde ihren Bewohner*innen eine sichere Lebensgrundlage bieten», so Naderer weiter. Im Falle von Frau M. gab es immerhin einen verständnisvollen Gemeinderat, den sie als sehr unterstützend erlebte.
Maria Rösslhumer, StoP Gründerin und StoP Vereinsvorsitzende weist darauf hin „wie wichtig es in jeder Gemeinde ist, die verschiedenen Communities, allen voran die Nachbarschaft, aber auch Behörden, Institutionen, Medien, Politik, Unternehmen, etc.) zu sensibilisieren, zu schulen, zu stärken und zu ermächtigen Gewalt zu erkennen, eine klare Haltung gegen Männergewalt an Frauen einzunehmen und somit Zivilcourage gegen Partnergewalt zu überall zu zeigen. Somit können alle präventiv, bevor Gewalt beginnt, ein Umdenken bewirken. Nach dem Motto von StoP: Was sagen. Was tun.“
«Viele der Weinviertler Gewaltopfer, die sich mehr und mehr an StoP wenden, fühlen sich von ihrem Lebensumfeld im Stich gelassen», erklärt Katharina Nickel, Bereichsleiterin von FRAUEN für FRAUEN. «In Gesprächen hören wir, dass in vielen Gemeinden kein Hintergrundwissen zu Partnergewalt oder dem Umgang mit Partnergewalt vorhanden ist. Die Gemeinden sind hilflos und machtlos – zum direkten Nachteil der betroffenen Frauen.“ , so Nickel weiter. «Es wird Zeit, dass sich Gemeinden proaktiv und mutig die Frage stellen: wie können wir als Gemeinde eine Gewaltkompetenz entwickeln und diese gemeinsam mit den Bürger*innen leben? Hierzu bietet die Organisation FRAUEN für FRAUEN Gemeinden gerne die Begleitung eines massgeschneiderten Entwicklungsprozesses an.», so die Expertin abschließend.
Und bis eine Gemeinde dieses Begleitungsangebot annimmt, möchte Frau M. die Welt wissen lassen «Diese Bank widme ich meiner Mutter, vor der ich den grössten Respekt habe, dass sie die erlebte Gewalt auch überlebte.»